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manifeSTATION

curated by the Office for Cognitive Urbanism

ROVERETO

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Das Büro für kognitiven Urbanismus hat für die Manifesta 7 ein Projekt konzipiert, das nach den Unstimmigkeiten von lokalen und regionalen Identitätsansprüchen sowie transnationalen Problemstellungen fragt. Als exemplarischer Ort wurde dafür der Bahnhof von Rovereto ausgewählt – ein Ort des Dazwischen inmitten der Stadt: Bahnhöfe fungieren als eine Art Schnittstelle zwischen Ankunft und Abfahrt. Man ist noch nicht ganz da und auch noch nicht wirklich fort. Diese ambivalente und prekäre Form der Lokalisierung ist symptomatisch nicht nur für Reisende, sondern für jedes Subjekt, das sich ob seiner kulturellen, nationalen oder ökonomischen Situation als nicht dem regionalen Lokalkolorit entsprechend erfährt: Migranten, Flüchtlinge, konfessionelle Differenzen, Fremdsprachigkeit, etc. Das Büro für kognitiven Urbanismus hat daher vorgeschlagen, den Bahnhof in seiner Bedeutung als Anlaufstelle für diese prekären Anwesenheiten zu betonen und 7 Künstlerinnen und Künstler eingeladen, Beiträge dafür zu entwickeln. Der „Umbau“ des Bahnhofs repräsentiert ein Spektrum von Inanspruchnahmen, das gerade jene Menschen adressiert, für die Stadt und Region nur bedingt gemacht sind. In diesem Zwischenraum von Ankunft und Abfahrt existiert die Stadt vorerst nur als Name. Welche Bedeutung dieser Name dann für die Menschen, die hier ankommen und abfahren, annimmt, hängt davon ab, wie die Stadt auf die verschiedenen Anforderungen reagiert. manifeSTATION ist urbanes und regionales Symptom für diesen Zwischenort, eine Mischung aus urbanistisch-künstlerischem Statement und imaginärem Bahnhof.
manifeSTATION, 2008Architecture, mixed media
Das Büro für kognitiven Urbanismus arbeitet an urbanistischen Fragestellungen vor dem Hintergrund medien-, raum- und subjekttheoretischer Diskurse. Seine Projekte kreisen um die politisch und kulturell geprägten Konstruktionen von Raumbedeutungen und deren Veränderbarkeiten. Für die Manifesta 7 hat es einen „imaginären Bahnhof“ konzipiert, der sich temporär in die aktuellen Raumstrukturen des Bahnhofs Rovereto einschreibt und das Display für die Projekte von 7 eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern liefert. Wesentlich an der Intervention ist die Markierung eines Übergangs von privaten und öffentlichen Raumansprüchen, wobei das Plädoyer der manifeSTATION jenen gilt, die in der Stadt und der Region nur bedingt ankommen und mit den üblichen Ein- und Ausschlussmechanismen territorialer Identitätsvorstellungen ins Auge konfrontiert sind.
Flocking Mosque, 2008Mixed media
Aksamijas Arbeiten kreisen um die Problematik eines Orientalismus unter neuen Vorzeichen. Ihr geht es darum, die zumeist territorial geprägte Behauptung sakraler Räume durch eine nomadische, mobile Architektur zu dekonstruieren. Die Zwiespältigkeit von Raum, Raumbild und Religiosität ist dabei programmatisch. Für die Manifesta 7 entwirft sie eine tragbare „Reisemoschee“: eine Tasche, die sich in einen Gebetsteppich mit integrierten Pantoffeln umwandeln lässt. Der Charme der Anwendbarkeit, die damit implizite Körperlichkeit und die Verschiebung des Subjekts innerhalb unsteter Identitätsfiguren spielt ebenso eine Rolle wie Fragen zu kultureller, religiöser und „Klassen“-Identität, die mit Themen wie Islamophobie, Angst vor Terrorismus und der Herausbildung von Kontrollgesellschaften verbunden sind.
Places of Worship, 2008Photography, light boxes
Die Auseinandersetzung mit Architektur und Fotografie gehört zu einer Konstante in den Arbeiten von Andreas Duscha. Sie zielt auf das Raumbild als Produkt einer Architektur, die mit der Konstruktion von Räumen zugleich an die Vorstellung von Räumen appelliert, die über den allein gebauten Raum hinausgehen. Das Gebaute ist damit nur ein manifester Teil des Imaginären. Für die Manifesta 7 hat sich Andreas Duscha mit interreligiösen Gebetsräumen auseinander gesetzt, die weltweit auf Flughäfen oder Krankenhäusern als Ort des Rückzugs oder der Andacht zu finden sind. Was in der Dokumentation dieser Räume erscheint, ist die bisweilen tragikomische Ästhetik dieser Versuche, kulturelle und religiöse Differenzen unter einem Dach zusammenzubringen und dafür ein Raumbild zu entwickeln.
Linea gialla / Yellow Line, 2008Photography, mixed media
Die Thematisierung des Verhältnisses von Inszenierungen und Bildkulturen zum konkreten physischen Raum steht im Mittelpunkt der Arbeiten von Sonia Leimer. Architektur wird dabei als Effekt einer medialen Verfasstheit von gegenwärtigen Gesellschaften und ihren Erzählungen untersucht. Die künstlerische Intervention formuliert sich bei Sonia Leimer als Re-Inszenierung von Ereignissen, als Fiktionalisierung von Räumen und ihren sozialen und ideologischen Strukturen. In ihrem Projekt für Manifesta 7 wird Sonia Leimer den Bahnhof als Schauplatz eines fiktiven Films behandeln und so der Medialität dieses Ortes nachgehen. Erinnerungen an das „Filmset“ eines fiktiven Films in den Räumlichkeiten des Bahnhofs sollen die Wahrnehmung des Ortes in eine unauflösbare Verstrickung von aktuellem und virtuellem Raum führen.
Tempo rubato, 2008Clocks, mixed media
Wenn sich Christian Mayer mit realpolitischen oder alltagskulturellen Themen auseinandersetzt, dann immer in Verbindung mit einer Reflexion der Medien, in denen diese Fragen repräsentiert werden. In tempo rubato (gestohlene Zeit) thematisiert Mayer die zeitlich paradox erscheinende Struktur der Manifesta 7, die gleichzeitig an vier verschiedenen Orten stattfindet. Bis ins 19. Jahrhundert hatten diese Orte ihre je eigene Zeitrechnung, die erst mit dem Bau der Eisenbahn nach einer überregionalen Vereinheitlichung der Zeit und damit nach der Bahnhofsuhr als überregionalem Maßstab verlangte. Sein Projekt besteht nun darin, die Zeitrechnung vor die Einführung der MEZ zurückzudrehen und über die einstige Differenz der Uhrzeiten die Unterschiede innerhalb der kulturellen, politischen und ökonomischen Homogenisierungen erneut messbar zu machen.
Disneylend Express, 2008Sticker, mixed mediaMove your Hands, 2007Video, loopPhantom, 2007Video, loop
Ein zentrales Thema von Kamen Stoyanov ist Migration – unabhängig davon, ob diese auf ökonomischen, politischen oder persönlichen Gründen basiert. Wenn die Assimilationsversuche scheitern, bleibt nur das Leben an den gesellschaftlichen Rändern übrig – ausgeschlossen und isoliert inmitten des kulturellen Alltags, allzu bekannt und dennoch fremd. Für die Manifesta 7 wendet sich Stoyanov den urbanen Events und Kunstbiennalen zu, die ganze Städte als kulturelles Territorium mit seinen impliziten Ein- und Ausschlussmechanismen beanspruchen. Die kulturelle Homogenisierung urbaner Räume teilt die Menschen in die, die diese Orte konsumieren, und jene, die dort leben müssen. Der Disneylend Express verbindet beide.
All-Over, 2008 Wallpaper, mixed media
Die Fragen, die Adrien Tirtiaux’ Rauminterventionen zugrunde liegen, haben einen gemeinsamen Kern: Die Erfahrung, dass die verschiedenen Formen, wie sich Menschen in Räumen bewegen oder verhalten, dazu tendieren, sich in Gewohnheiten zu verwandeln – als gäbe es eine Gebrauchsanweisung dafür, wie man diese zu gebrauchen habe. Dieser Blick lässt nicht nur die optionale Verwendung von Räumen vergessen, sondern erklärt diese selbst zu definitiven Vorgaben. Seine Interventionen reaktivieren diese optionalen Gebrauchsanweisungen, indem sie je nach soziokultureller Situation das Erscheinungsbild dieser Räume verändern und damit neue Handlungsspielräume evozieren. Wenn dann ein Raumbild als etwas erscheint, das es nicht ist oder sein kann, dann liegt dahinter möglicherweise nur eine Variable, die in Vergessenheit geriet: ein Raum im Raum.
Missing Counterparts, 2008Mixed media, video, loop
Ein zentrales Thema der Arbeiten von Anna Witt ist die Alltäglichkeit des Politischen. Dies spiegelt sich in den medialen Übersetzungen und den entsprechenden Bildern für eine Vorstellung des Politischen ebenso wider wie in der Erfahrung, von diesem politischen Diskurs ausgeschlossen, nahezu ohnmächtig, zu sein. Dieser Zwiespalt von Politik und Ohnmacht liefert die Koordinaten ihrer künstlerischen Interventionen. Anna Witt sucht in der Auseinandersetzung mit der jeweils lokalen Bevölkerung nach möglichen Brennpunkten dieser Ambivalenz und setzt die Inszenierung einer Teilhabe am politischen Geschehen gegen die Sprachlosigkeit. Durch die Inszenierung bleibt die Distanz aufrecht – was sich verändert ist allein das Bild von Politik, nun konfrontiert mit der Vorstellung einer möglichen Partizipation am Politischen.


Location

ROVERETO

ADAM BUDAK: "PRINCIPLE HOPE"

EX PETERLINI, SAVIOLISTRASSE 20 UND MANIFATTURA TABACCHI, P.ZZA MANIFATTURA 1-STAZIONE FERROVIARIA, PIAZZALE ORSI, I-38068 ROVERETO, ITALIEN

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